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Deutsches Staatstheater Temeswar

Sidy Thal - die Geschichte des antisemitischen Anschlags in Temeswar im Jahr 1938 - auf den Bühnen des Deutschen Staatstheaters in Temeswar und des Jüdischen Theaters in Bukarest

2. November 2023

Das Deutsche Staatstheater Temeswar und das Jüdische Staatstheater Bukarest laden am Samstag, den 4. November 2023, zur Premiere von Sidy Thal ein, einer Koproduktion, die den antisemitischen Anschlag im Kulturpalast in Temeswar im Jahr 1938 nachstellt. Die Vorstellung beginnt in der Innerstädtischen Synagoge (Mărășești-Straße 6). Die Bukarester Premiere findet am 12. November 2023 statt.

Am 26. November 1938 explodierten während eines Gastspiels der jüdisch-bukowinischen Sängerin Sidy Thal und ihres Ensembles am Temeswarer Theater zwei Handgranaten im Saal. Bei dem antisemitischen Anschlag der rechtsextremen nationalistischen Eisernen Garde wurden vier Menschen getötet und 70 verletzt.

Das Temeswarer Attentat von 1938 darf nicht aus dem Kontext der politischen Entwicklungen in Rumänien sowie in Europa gelöst werden. Rumänien wurden nach dem Ersten Weltkrieg große Gebiete zugesprochen, wobei sich der Anteil der jüdischen Bevölkerung mit knapp 800.000 Menschen mehr als verdoppelte. Zwar konnten Juden aufgrund der Verfassung von 1923 die Staatsbürgerschaft erwerben, doch nur Jahre später wurde rund einem Drittel von ihnen diese wieder entzogen.

Gleichzeitig entwickelten sich die Legionärsbewegung und später die Eiserne Garde zu einer Massenbewegung, vergleichbar mit der Nationalfaschistischen Partei Italiens oder der NSDAP im sogenannten Dritten Reich. Zur Ideologie zählten Antisemitismus, mystisch-orthodoxer Fundamentalismus und Ultranationalismus. Die 1940 errichtete faschistische Diktatur machte Rumänien zu einem Verbündeten der Achsenmächte.

Es folgte die systematische Vernichtung der Juden. Nach einem grauenvollen Pogrom in Bukarest Anfang 1941 ermordeten rumänische Sicherheitskräfte gemeinsam mit der Wehrmacht im gleichen Jahr in Jassy etwa 13.000 Juden. Jene aus dem Osten des Landes wurden nach Transnistrien deportiert, während Juden aus den Gebieten, die zwischenzeitlich zu Ungarn gehörten, in Vernichtungslagern getötet wurden. Forschern zufolge kamen in Gebieten Großrumäniens bis Mitte 1942 etwa 350.000 Juden gewaltsam ums Leben.

Das Ereignis, das in der Stadt Temeswar/Timișoara, der Europäischen Kulturhauptstadt 2023, kaum bekannt ist, erforschten der Dramatiker Thomas Perle und der Regisseur Clemens Bechtel mit Hilfe von Maria Mădălina Irimia vom Wilhelm-Filderman-Zentrum für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden und kreierten daraus ein dokumentarisches Theaterstück.

Was ist wahr? Was geschah wirklich? Stück und Inszenierung sind ein Versuch der Rekonstruktion des Anschlags und der damaligen Zeit, in der Antisemitismus und Faschismus zum Alltag in einer multikulturellen Gesellschaft wurden und die zum Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Shoa führten.

Sidy Thal ist die erste Kooperation zwischen dem Deutschen Staatstheater Temeswar und dem Jüdischen Staatstheater Bukarest. Das mehrsprachige Werk wird in deutscher, rumänischer und jiddischer Sprache aufgeführt.

Mit: Enikő Blénessy, Viorica Predica, Maia Morgenstern, Silvia Török, Katia Pascariu, Daniela Török, Olga Török, Oana Vidoni, Radu Brănici, Rareș Hontzu, Mircea Dragoman, Richard Hladik, Mihai Prejban.

Inszenierung: Clemens Bechtel • Bühne und Kostüme: Șteff Chelaru, Ioana Groza • Musik: Dan Simion • Dokumentation: Maria Irimia • Dramaturgische Mitarbeit: Dan Druță • Regieassistenz: Isolde Cobeţ • Maske: Bojita Ilici, Aurora Spasinovici • Inspizient: Ovidiu Radu, Aurel Cristea • Aufnahmen für den Audiowalk & Video-Design: Alex Halka • Musikalische Vorbereitung: Roxana Ardeleanu

Clemens Bechtel arbeitet seit 1995 als Regisseur und ist vor allem für seine auf Recherche basierenden Arbeiten bekannt. Er inszenierte in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Ungarn, Rumänien sowie in Burundi, Mali und Malawi. Seine Inszenierung Staatssicherheiten am Hans-Otto-Theater in Potsdam, in der ehemalige Häftlinge über die Stasi-Gefängnisse berichten, wurde 2009 mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet. Eine wichtige Arbeit für ihn war auch Hunger for Trade 2015 am Schauspielhaus Hamburg. Hier kamen Theater aus vier Kontinenten zusammen, um acht Stücke über globale Nahrungsmittelmärkte zu realisieren. In den letzten Jahren inszenierte Bechtel viel in Ostafrika und Osteuropa, aber auch in Wiesbaden, Mannheim und Freiburg.

“Was mich an dieser Arbeit besonders interessiert, sind zwei Fragen: Wie rekonstruieren wir Vergangenheit? Aus welchen Perspektiven? Noch mehr beschäftigt mich die Auseinandersetzung mit dem Wert von Theater. Warum wollen wir weiterspielen, wenn um uns die Welt zusammenbricht? Was ist in solchen Momenten Kultur eigentlich wert? Für uns Kulturschaffende, aber auch für die anderen: für Gewalttäter und Opfer von Gewalt. Wann sollten wir besser innehalten, schweigen?” – Clemens Bechtel.

Thomas Perle wurde 1987 in Oberwischau/Vișeul des Sus in Rumänien geboren und wanderte 1991 gemeinsam mit seiner Familie nach Deutschland aus. Er studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien und sammelte am Schauspielhaus Wien Erfahrungen als Regieassistent. 2013 erhielt er den exil-Literaturpreis. 2018 erschien sein Prosadebüt wir gingen weil alle gingen. in der edition exil.

Für sein Stück karpatenflecken erhielt er 2019 den Retzhofer Dramapreis. Es wurde 2021 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. Die Aufführung eröffnete 2022 das Eurothalia Festival des DSTT. Im gleichen Jahr wurde sein Stück ein jedermann/domnul iedeman am Nationaltheater Radu Stanca Hermannstadt/Sibiu uraufgeführt. 2022 wurde karpatenflecken am Burgtheater Wien in Österreich erstaufgeführt und 2023 mit dem angesehenen Nestroy-Theaterpreis als bestes Stück ausgezeichnet.

Thomas Perle war Stadtschreiber des Deutschen Kulturforums östliches Europa in Temeswar, wo er im Auftrag des DSTT gemeinsam mit Clemens Bechtel das Stück Sidy Thal schrieb.

Wir erwarten Sie bei der Premiere!

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